Schreck und Schönes

Ich sitze an meinem Schreibtisch und blicke in den Garten. Der Rasen ist unfassbar grün, hi und da liegt ein gelbes Blatt herum. Dem Bambus gleich neben dem Fenster fehlt offenbar Wasser oder er verliert einfach etwas Laub im Herbst. Aber er wird jetzt nicht gegossen, da muss er durch. Das Apfelbäumchen (der Pommersche Krummstiel) trägt noch mächtig viel Laub, aber insgesamt wirkt alles etwas schlaff an den Büschen und Bäumen . Über allem hockt ein gleichmäßig trister grauer Himmel.
Der Herbst ist eindeutig da.
Allerdings habe ich in Erinnerung, dass es im November schon weniger Blätter an Bäumen und Buschwerk gab. Liegt das an dem warmen Oktober? Hm….

Wir haben Besuch. F. und A. sind da mit Lottchen, dem Whippet. Lottchen sollte eigentlich läufig werden, so waren die Ideen von Frauchen F. und Züchterin, damit es etwas mit Weihnachtsbabys wird, aber sie scherrt sich nicht um die Pläne von Frauchen und liegt ganz entspannt auf aller Leute Lieblingskuscheldecke dem Sofa nebenan, völlig desinteressiert an der hündischen Männerwelt. A. hat Urlaub und sitzt genauso entspannt mit einem Buch im Sessel. F. studiert. Sie sitzt im Hörsaal, also oben im Zimmer und hört online dem Prof zu. Seltsame Zeiten. Aber das Gute ist, dass sie eben auch hier sein kann, während sie studiert. Und sie können an die Ostsee, etwas Urlaub machen.
Corona halten wir draußen.
So ist der Plan.

Am Wochenende gab es einen mächtigen Schrecken für uns alle. Meine 82-jährige Schwiegermama hatte einen kleinen Autounfall mit Blechschaden auf dem Parkplatz verursacht und war darüber so schockiert, dass sie in eine ausgeprägte Amnesie rutschte, also keinerlei Erinnerung hatte an das Geschehen, aber auch das Kurzzeitgedächtnis komplett in Mitleidenschaft gezogen war über ca. 7 Stunden. Wir haben meine Schwiegereltern zu uns geholt; es ging überhaupt nicht anders. Das war besonders für meinen etwas dementen Schwiegervater sehr schwer, er findet sich nirgends zurecht. Zum Glück hat sich alles wieder normalisiert, außer an diese Zeit erinnert sie sich an alles.
Nun will sie nicht mehr Autofahren, d.h., es muss alles etwas anders als bisher mit den Einkäufen oder Fahrten in die nächste Stadt organisiert werden. Aber lieber so als einen Unfall mit Personenschaden. Es merken ja leider nicht alle Leute rechtzeitig, wann sie nicht mehr fahrtauglich sind.

Zeitgleich rumorte und zeterte mein Darm wie verrückt. Ich nehme ja eine höhere Dosis von dem TKI ein. Das macht mir sehr zu schaffen….. körperlich. Das körperliche wiederum wirkt auch weiter, aber ich gebe mir Mühe, trotz allem auch mal zu Lachen.
Ist allerdings schwierig……

Hab ich erzählt, das meine Schwester aus Wien da war? Ich habe mich sehr gefreut. Wir konnten ja Anfang Oktober nicht hin wegen coronabedingtem Risikogebiet und diesem ganzen Zauber, aber nun haben wir es dennoch riskiert. Es ist schwer, sich gar nicht zu sehen. Wer weiß, ob und wenn ja wann das Ganze mal aufhört. Also Corona. Ich nicht. Ich höre noch nicht auf, nicht jetzt.
Bis jetzt ist alles o.k.
Es war in weitem Umfeld auch niemand erkrankt. Jedenfalls nicht an Covid 19.

Ich meditiere mittlerweile wieder häufiger, täglich genaugenommen. Irgendwie hatte das nicht mehr so recht geklappt, mein Rhythmus war durcheinander.
Das Meditieren ist schwieriger geworden für mich, weit weg von dem Gefühl, den Schlüssel bald zu halten. Etwas hat sich verändert. Ich will zu sehr, dass es klappt, dass ich die Verbindung hinbekomme. Gedanken kommen ohne Ende und stören. Zerstören. Ich will nur fühlen und beobachten.
Irgendwie ging das schon mal besser.
Habe ich etwa Panik?
Zeitdruck?
Ich weiß auch nicht.

Vermutlich machen mir die Gedanken an die Metastasen zu schaffen, obwohl ich gar nicht dauernd dran denke. Zahlen und Statistik und Studien und so Sachen zu dem Thema sind auch nicht so recht förderlich, andererseits will ich mich mit dem Thema auch auseinandersetzen und vor allem im Verein Zielgenau aktiv sein. Und ich muss mich dauernd mit dem Thema auseinandersetzen, da ständig irgendwelche Kontrollen anberaumt werden. CT und MRT, Klinik etc ….
Ach da fällt mir ein, ich brauche noch einen Termin zum MRT vom Kopf. Will ich aber gar nicht. Ich will kein Kontrastmittel bekommen.

Ich muss mich da mehr von abgrenzen. Sonst wirkt das Ganze noch wie ein Noncebo. Noncebo ist das Gegenteil von Placebo, also schlecht. Beim Placebo hilft der Glauben an eine positive Wirkung (jedes Medikament wird gegen eine Placebo getestet), beim Nonceboeffekt bewirkt der Glauben das genaue Gegenteil.
Ich will der Statistik nicht glauben.
Der Geist ist mächtig. Sehr mächtig.

Heute geht es mir besser als an den Tagen zuvor. Ich habe auch grade 2 Tage Pause gemacht. Jetzt folgen wieder drei Einnahmetage. Jedenfalls habe ich die Chance genutzt und bin schon 4 km zügig gen Süden und zurück gewalkt, allerdings ohne Stöcker, da die nur Spitzen, also so Picker unten dran haben und keine Gummistumpf und die machen einen Heidenlärm. (Warum sagt man das eigentlich so ? Heidenlärm?). Dieses schlappe Rumgeliege auf der Couch hilft auch nur bedingt für den Moment, trotz Wärmekissen auf dem Bauch. Zur generellen Genesung trägt es sicher nicht bei.

Ruhe und Anstrengung sollten im Wechsel sein. OK, ich brauche etwas mehr Ruhe und Erholung als früher, aber vielleicht wäre dem auch ohne die OP und diesen Dingern so. Sonst verschwinden ja auch meine so mühselig aufgebauten Muskeln wieder. Und ich liebe meine Muskeln, das Gefühl von Bewegung in mir, die Konturen, die Festigkeit. Alleine durch das viele gehen sind meine Beine ganz anders, mein Hintern sieht gefüllt aus und insgesamt bin ich eindeutig weiblich. Das mit dem weiblichen Fett ist auch ok so.
Vor dem Spiegel sehe ich schon lange nicht mehr aus wie noch vor einem Jahr.
Ich bin rosig und gesund und mit Muskeltonus, kein kranker Schlaffi.
Ich fühle mich richtig gut, so wie ich bin.
Eine Frau.
Ich mag mich.

Wenngleich sich doch so viel geändert hat, irgendwie sind da ja auch die Wechseljahre….. es gibt so Hormone, die verschwinden einfach und nehmen einen Teil des Lebens mit und hinterlassen ein geändertes. Bei mir hat sich alles geändert, nicht nur die Hormone.

T. kommt nach Hause. F. ist auch nachher fertig mit dem aktiven Zuhören. A. macht Sport.

Freu mich.

Ach, einen Befund der Liquid Biopsy habe ich noch nicht. Sicherlich in den nächsten Tagen, es sollte ja etwa 10 Tage dauern.