Strahlen

Nachher habe ich meine zweite Bestrahlung, also die zweite in diesem Block. Es werden 10 für den Lymphknoten und 5 für das Ding in der Lunge. Letzteres kann höher dosiert werden als erstere, da dort „nur“ Lunge in der Umgebung ist. Der Lymphknoten hat ja etwas exponiertere Nachbarschaft, die sich sensibel verhalten könnte.

Freitag habe ich drei schwarze und rote Kreuze auf den Brustkorb geklebt bekommen, beide versetzt übereinander gemalt auf einem grässlich juckenden Pflaster. Damit wurde markiert, wie die Messung für das Planungs-CT erfolgte. Eins unter jeder Achsel, eins mittig auf dem Sternum, wobei es eher nicht mittig lag, mehr links. Auch die anderen beiden waren nicht an der gleichen Stelle. Aber dafür wird ja markiert, weil die Leute verschieden sind, selbst in sich selbst. Keine Seite ist wie die andere, die äußerliche Hülle täuscht.

Gestern erfolgte die erste Bestrahlung, doch schon gestern, nicht erst heute. Sie haben sogar am Wochenende dafür gearbeitet, dass es zügig läuft. Es tüddelte dafür etwas mit dem Start direkt, die Aufklärung dauerte etwas, da ich dazwischen geschoben war, und wir mussten letztlich nochmal wiederkommen, weil dann kein Bestrahlungstermin mehr war, aber das war ok. Wenn ich mich einmal dafür entschieden habe, so etwas zu machen, will ich auch, dass es so rasch wie möglich losgeht. Also ein großes Dankeschön an die Strahlenleute.

Die Aufklärung ignoriere ich jetzt mal. Sie ist entsetzlich und ich mag das nicht wiederholen. Ich bekomme das alles NICHT!!!
Es wird mir gut gehen, nicht so wie letztes Mal.
So.
Gut.

Gestern wurde dann das Gerät gerichtet. Es ist hochmodern, so ein bisschen wie in Raumschiff Enterprise in schick. Oder Star Trek?? Na auf jeden Fall wie aus diesen futuristischen Filmen.
Der Weg dorthin ist auch schick, aber auch möglicherweise am Ende kompliziert mit den nun immer folgenden Assoziationen, aber vielleicht ist das ja auch wie bei Pferden mit der Desensibilisierung. Man gewöhnt sich dran.

Die Wände sind nämlich wunderschön bemalt. Zunächst geht man quasi den Strandaufgang hoch, der Hafer steht linkerhand auf den Dünen, die ganze Wand ist in zarten Tönen bemalt. Dann öffnet sich der Raum und der Warnemünder Leuchtturm steht hinten auf der Mole vor mir und meine geliebte Ostsee zeigt sich. Die komplette Wand ist voller Meer- wunderschön. Die Farben sind toll, nicht so quietschbunt wie bei vielen bearbeitetet Fotos zu sehen. Sanft und zart sind die Farben.

Doch letztlich bin ich dort nicht in echt am Meer, ich wende mich nach links zu dem gewaltigen Kreis aus Technik und lege mich auf die Liege in der Mitte. Oben an der Decke ziehen beleuchtete Wolken am blauen Himmel. Oder stehen, das Bild ist nicht beweglich. Früher, vor über zwei Jahren, da war ich meist „im Grünen“, dort gab es den Wald und den Bach, welcher mir eine andere geliebte Welt eröffnete. Die Idee dahinter ist toll- ich muss den Designer loben, sehr loben. Und auch die Uni, dass sie hier nicht gespart haben.

Die alten Kennzeichen wurden entfernt, auf weniger juckenden Pflastern wurden mit insgesamt sechs Kreuze gemalt, versetzt diesmal, nicht übereinander, drei für jeden Bestrahlungsgang. Meine Arme lagen hochgestreckt und anfangs bequem. Stillliegen. Auch nicht die Hände bewegen, das verändere die Anspannung der Brustmuskulatur. Doch im Verlauf wurde das immer schwieriger, es zog und zerrte in meinen Achseln und im Rücken, die Muskeln fingen an zu verkrampfen, mein Arm schlief ein und ich musste all meinen Willen aufbringen, das auszuhalten. Bis auf eine kleine Pause hatte es insgesamt ca 45 Minuten gedauert. Aber ich habe es geschafft, auch wenn ich danach etwas Probleme hatte, mein rechtes Bein war seltsamerweise auch eingeschlafen, aber egal, das ging ja weg.

Die Strahlen selbst tun nicht weh, man merkt gar nichts. Der gewaltige Ring fuhr um mich herum, es ratterte ein bisschen, viel weniger als in der alten Maschine vor zwei Jahren. Die ist mittlerweile aber auch erneuert. Im Radio lief gute Musik, sie haben nicht dieses Entspannungszeugs angemacht, sondern das normale Leben. Ich habe mir vorgestellt, dass die verdammten Metastasen verbrennen, schwarz werden, verbrutzeln. Und alle umliegenden einzelnen Tumorzellen gleich mit. Die gesunden Zellen schaffen das, halten das aus, reparieren sich gleich wieder. Tumorzellen sind zu flott in der Zellteilung, als das sie sich reparieren können. Deshalb sind sie ja so empfindlich.

Es verbrutzelt jetzt einfach…..

Ich muss bald los. Heute werden es nur 10 Minuten.
Ein Kinderspiel.

F. bringt mich hin. Gestern war es erst T., beim zweiten Mal T. und F. Das war richtig schön.
F. ist am Wochenende gekommen. Es tut so gut! Meine Familie ist da. Meine Schwester meldet sich auch viel, wir sind uns nah, ganz anders als früher. Und Meine Eltern sind auch nicht weit. Morgen hat F. Geburtstag, aus unerklärlichen Gründen wird das kleine Mädchen plötzlich 23 Jahre alt. Sie bleibt bis zum Wochenende. Und Mitte nächste Woche kommt P.

Ich freue mich so über alle! Meine Kinder sind hier! Bei mir! Das macht mich glücklich. Das Glück drängt sich durch den ganzen Trübsal und lacht. Ich werde geliebt und ich nehme diese Liebe, sauge sie auf.
Nur abends, jeden Abend, wenn es dunkel ist und still, dann kommt der Trübsal hoch, manchmal Wut, manchmal nur Tränen ohne Worte. Dann nimmt mich T. in den Arm und ich heule seine Schulter nass. Und in den letzten Tagen schlafe ich auch irgendwann ein.

Also auf zur zweiten Runde.

Ein Gedanke zu „Strahlen“

  1. Ich wünsche dir und deiner tollen Familie noch schöne Restweihnachten und einen guten Start ins neue Jahr! Bleib weiterhin so stark, du bist nicht allein! SO viele Menschen denken und glauben an dich! Ich bewundere dich, ehrlich!!!! Ganz liebe Grüße! Gaby

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