Warum ich jetzt so selten hier schreibe ….. aber eine Umfrage

…. hat einige Gründe. Der Hauptgrund ist aber der, dass ich mich verändert habe.

Ich will versuchen, dies kurz zu erklären.

Ursprünglich habe ich den Blog angefangen, um meine Emotionen, insbesondere meine negativen Emotionen, irgendwo zu lassen. Diese Diagnose war der Tiefpunkt meines Lebens, völlig unerwartet in einem Moment, der im Grunde ein sehr glücklicher sein sollte, da ich ja 14 Tage später heiraten wollte. Dieser Moment geschah allem zum Trotz dennoch und ich war auch sehr glücklich. Aber mit der Diagnose und den Folgen war ich in ein absolut grässliches und tiefes schwarzes Loch gefallen und kam im Verlaufe nur mühselig wieder hinaus. Ich hatte meine Gesundheit, meinen Job, meine Identität als Ärztin für teils sehr schwer kranke und behinderte Kinder, aber auch die Identität als lebensfrohe Frau ebenso verloren wie meine Selbstständigkeit sowohl beruflich, finanziell als auch körperlich.
Das ist alles Vergangenheit. Nicht mehr zu ändern, so wie auch sonst nichts, was bereits geschehen ist, also Vergangenheit ist.

Ich lebe immer nur jetzt. Alles passiert immer jetzt. Alles andere ist entweder schon geschehen oder eine Idee von etwas, was noch passieren könnte.

Deshalb denke beschäftige ich mich nicht mehr mit den vergangenen Dingen. Gelegentliche Gedanken schicke ich fort und so etwas wie „was wäre, wenn…“ ist mir mittlerweile fast fremd. Es ist ja unnütz und macht nur schlechte Laune, Trübsal oder Schlimmeres.
Ebenso beschäftige ich mich nur grad soviel wie in dem Moment nötig mit all dem, was nicht so stimmt. JETZT tun mir die Rippen weh, also bewege ich mich entsprechend anders. JETZT habe ich heftige Bauchschmerzen und muss auf Toilette. JETZT geht es mir ganz gut, weil ich ein Wärmekissen auf dem Bauch habe.
Viel mehr sehe ich die Welt positiv. Es ist immer etwas positiv. In jedem Moment, der ist. Deshalb fällt es mir mittlerweile schwer, eine Antwort auf die Frage nach meinem Wohlergehen zu geben.

Was will der Betreffende hören oder aber (wie hier) lesen?
Beispiel:
Ich antworte: „Mir geht es bestens. Alles gut und in Ordnung. Ich liege grad auf der Couch und stricke/ lese/ quatsche …. Vorhin habe ich mich körperlich etwas dolle verausgabt …..“
Nachfrage: „Echt? Wirklich? Und hast Du schon eine Kontrolle nach der Bestrahlung?“
Ich bin erstaunt. Stimmt! Habe ja Bestrahlung gehabt, was mir nahezu komplett aus dem Bewusstsein verschwunden ist. „Öhm… nein… die hatte ich noch nicht. Habe sie solange wie es geht, nach hinter geschoben. So wie von den Strahlenleuten empfohlen und dann wegen Urlaub der Onkologin noch ein bisschen.“
Frage:“ Machst Du Dir keine Sorgen?“
ich: „nein…. ich denke da nicht dran…“
Frage: „Hast Du keine Angst?“
ich: „nein“
Frage:“ Was machst Du, wenn wieder etwas da ist? Willst Du das nicht schon jetzt wissen? Warum warst du nicht früher beim Onkologen?“
Ich:“ Das überlege ich dann bzw. höre mir erstmal an, was alles vorgeschlagen wird. Und warum sollte ich zum Onkologen? Dann bin ich nur öfter mit all dem konfrontiert“
Frage bzw. Aussage: „weiß auch nicht …. so zur Kontrolle oder so“
….
…..

Danach grummelt etwas in mir, ich fühle mich unwohl, obwohl ich weiß, dass die Fragen nur aus ehrlichem Mitgefühl heraus entstehen. Ich will ja auch sagen, was los ist, aber es ist wirklich nichts los sozusagen. Wenn ich immer über all das Negative rede- und es gibt Momente, da gibt es davon reichlich- dann bleibe ich in diesen negativen Momenten hängen, durchlebe sie erneut. Erneut werden Stresshormone ausgeschüttet mit den Sorgen/ Ängsten/ Schmerzen, denn mein Körper weiß gar nicht, dass es grad nur eine Erinnerung ist und fühlt sich somit wegen der gleichen Sache erneut mies ….

Ich lasse alles los, lasse es durch mich hindurch fließen. Es ist jetzt eben so.

Es ist schwer, das alles in Worte zu fassen. Und es fällt mir auch manchmal noch schwer, das wirklich gut hinzubekommen, insbesondere wenn ich mit den persönlichen Schicksalen anderer konfrontiert werde. Seltsamerweise fällt mir da die Abgrenzung um so schwerer, je schwieriger grad die Momente für mich sind, in den diese Situation zustande kommt.

Ich habe mich sehr verändert in den letzten 2 1/2 Jahren. Aber nur deshalb geht es mir so gut und nur deshalb kann ich mein Leben genießen. Ich bin ruhig und zufrieden, habe aber dennoch Ziele außerhalb vom Stricken. (kleiner Scherz am Rande).
Ich fühle mich in vielen Momenten wieder kraftvoll, ich kann mich wieder ganz gut bewegen und Dinge wie Geschirrspüler leer räumen, was ja vor 2 Jahren eine riesige Herausforderung für mich war, sind gar kein Problem mehr. Meine muskulären Kräfte sind etwas mehr als minimal, aber sie sind da. Meine körperliche Ausdauer taugt auch schon gut etwas und die Gedanken, tja, die Gedanken, wie soll ich sagen, die Gedanken beherrschen mich nicht. Ich bin nicht Sklave meines Verstandes. Gelegentlich entfleuchen mir noch die Worte, Geschehnisse und mein Gedächtnis will mich ärgern. Aber dieses Chemo- und Strahlenbrain wird dennoch genutzt und zwar, wann ich es will. Es gibt wundervolle Zeiten, in denen Stille herrscht, tiefe Stille und ich mein Selbst, mich selbst fühle und sehe.

Und es gibt Zeiten, ich denen ich aktiv bin, meinen Verstand nutze und z.B. eine Umfrage für den Verein erstellt habe, die ich jetzt viele Male versandt habe. Flyer werden ausgedruckt und in Wartezimmer gehängt, Patienten erhalten direkt Mails vom Doc. Ich hoffe, es machen viele mit. Das Ganze wird international laufen, bisher ist es nur deutsch. In der Umfrage geht es um das Leben mit den Nebenwirkungen der Medikamente, welche einerseits zwar helfen, aber andererseits teils schwere oder aber viele Nebenwirkungen haben. Wer Interesse hat, kann sich auf unserer Vereinsseite informieren. Die Umfrage selbst geht nur für Patienten mit einem Tyrosinkinasehemmer, also den Tabletten gegen Krebs.
Das alles ist abstrakter. Es betrifft zwar auch mich, weil ich zu der Gruppe gehöre, aber das kann ich gut abgrenzen. Es ist eine sinnvolle Arbeit, die noch dazu Spaß macht.

Hier der Link zur Vereinsseite von zielGENau.
Und hier der Link zur Umfrage, aber wie gesagt, nur für Patienten nutzbar.

Nur Vereinssachen mag ich allerdings auch nicht, teilweise überfordert mich das noch. Aber es wird immer besser.

Momentan geht so einiges, mein Energielevel ist hoch. Ich habe grade eine Pause mit Giotrif gemacht und erst vor 4 Tagen wieder angefangen. Da nutze ich doch die Gunst der Stunde.

Und in diesem Sinne werde ich jetzt für heute hier das Schreiben beenden.

Ich überlege, wie ich den Blog weiterschreibe….

Interessiert sich jemand für mein Leben, für das, was ich so treibe? Für mich selbst muss ich es nicht mehr so häufig aufschreiben.

Ich werde am Ball bleiben, ganz weg bin ich nicht.

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